Das geltende Wahlrecht
...und unsere Kritik daran

Alle vier Jahre entscheiden die Bremer Bürgerinnen und Bürger über die Zusammensetzung der Bremischen Bürgerschaft. Insgesamt werden ab ab 2019 84 Abgeordnete gewählt, wobei Bremen mit 68 Sitzen und Bremerhaven mit 16 Sitzen im Parlament vertreten ist. Bei den Bürgerschaftswahlen gilt die 5 %-Hürde und es wird in den Grundzügen ein personalisiertes Verhältniswahlsystem mit offenen Listen und fünf Stimmen angewandt. Dieses Wahlrecht hat Mehr Demokratie mit seinen Bündnispartnern 2006 per Volksbegehren vorgeschlagen und es wurde 2011 und 2015 nach diesem Wahlrecht gewählt.

Unsere Kritik am Wahlrecht 2018

Das 2006 eingeführte Wahlrecht haben die Parteien SPD, CDU, Bündnis90/Die Grünen und Linke mit ihrer Mehrheit am 22. Februar 2018 verändert. Seitdem gilt ab der nächsten Wahl ein verändertes Verfahren der Sitzzuteilung. Wurden bisher zunächst die Sitze nach Listenreihenfolge und dann die nach Personenstimmenreihenfolge vergeben, ist es nun umgekehrt. Was auf den ersten Blick logisch erscheint und von den Befürwortern der Veränderung als "transparent" verkauft wird, ist eine Mogelpackung. Denn durch diesen Kniff wird die Listenreihenfolge gestärkt. Der Einfluß der Personenstimmen sinkt. Deutlich weniger Kandidat/innen werden die Chance haben, über Personenstimmen in die Bürgerschaft einzuziehen. Die Bedeutung des Listenplatzes steigt.

Warum kritisieren wir die Änderung?

Erfahrungsgemäß bekommen die Spitzenkandidaten auch viele Personenstimmen. Wer also einen oberen Listenplatz hat, profitiert doppelt. Beim bisherigen Verfahren haben diejenigen, die einen guten Listenplatz von ihrer Partei erhalten haben, diesen für den Einzug ins Parlament nutzen können. Ihre Personenstimmen sind unter den Tisch gefallen. Dafür haben Kandidatinnen auf hinteren Listenplätzen noch eine Chance bekommen, einen Sitz zu erlangen.

Dreht man das Verfahren um, bekommen diejenigen, die einen guten Listenplatz bekommen haben, ihren Sitz zukünftig in vielen Fällen über die Personenstimme. Hier verfällt der gute Listenplatz. Sind die Personenstimmenmandate vergeben, kommt die Listenreihenfolge zum Zug. Das sind oft die mittleren Plätze. Für die hinteren Listenplätze sind die Chancen dann nur noch gering.

Nach dem Parteien-Wahlrecht kommen gute Listenplätze über Personenstimmen ins Parlament. Nach dem alten Modell hatten hintere Listenplätze Chancen, über Personenstimmen reinzukommen. Die Chance für Bürger/innen, die Listenreihenfolge durcheinanderzubringen, war größer.

Den Parteien ging es vorgeblich darum, bestimmte Effekte, die beim Bremer Wahlrecht auftreten konnten, zu beheben. Das wird aber durch die gewählte Lösung nicht erreicht. Das "negative Stimmgewicht" wird auch weiterhin auftreten, allerdings seltener. Wichtiger war den Parteien, den Einfluss der Listenreihenfolge zu stärken.

Bedeutung der Listenplätze

Bei Wahlen geht es um die Verteilung politischer Macht. Durch ihre Stimmabgabe beeinflussen die Wählerinnen und Wähler die Zusammensetzung der Volksvertretung.

Die Parteien bestimmen aber die Reihenfolge ihrer Kandidatenliste selbst. In der Praxis sind die Kandidatinnen und Kandidaten sicher im Parlament vertreten, die auf einem hohen Listenplatz stehen.

Deshalb können sich bestimmte Parteimitglieder immer relativ sicher sein, als Volksvertreter ins Parlament einzuziehen. Sie müssen gar nicht bemüht sein, den Kontakt mit den Bürgerinnen und Bürgern zu suchen. Denn sie müssen nur innerhalb ihrer Partei um einen guten Listenplatz „kämpfen“. Sie sind also relativ abhängig von der Parteiführung. Auf diese Weise entfernen sich Politiker immer mehr von den Wählerinnen und Wählern. Mit einem Wahlrecht, das uns Bürger/innen mehr Einfluss auf die personelle Zusammensetzung des Parlaments gibt, verbessert sich die Bürgernähe.

Stadtbürgerschaft (Kommunalwahl)

Eine Besonderheit im Zweistädtestaat Bremen ist außerdem, dass die Kommunalwahlen eng mit der Landtagswahl verknüpft sind. In der Stadt Bremen ist eine Stimme für die Bürgerschaftswahl gleichzeitig auch eine Stimme für die Stadtbürgerschaft.

Beiräte in der Stadt Bremen

Parallel zur Bürgerschaftswahl werden in der Stadt Bremen auch die Mitglieder der Beiräte in den Stadtteilen gewählt. Auch hier gibt es fünf Stimmen. Die Beiräte befassen sich mit den Angelegenheiten, die in ihrem Stadt- oder Ortsteil für die Bevölkerung von Interesse sind. Die 5-Prozent-Hürde ist abgeschafft.

Stadtverordnetenversammlung in Bremerhaven

Die Wahlberechtigten in Bremerhaven bestimmen in einer eigenständigen Wahl ebenfalls mit einer Stimme die 48 Mitglieder der dortigen Stadtverordnetenversammlung. Diese befasst sich mit den Angelegenheiten, die für die Bevölkerung der Seestadt von Interesse sind. Die 5-Prozent-Hürde ist abgeschafft.